Oder: Komfort vs. Urigkeit
Liebe Leserschaft,
Unterwegszeilen erzählt Geschichten vom Tapetenwechsel, nicht nur aber auch aus China. Darunter sind natürlich viele lustige und schöne, die irgendwann mal wiedergegeben werden wollen oder schon wiedergegeben sind, doch heute möchten wir den Blick darauf richten, wie man eigentlich in China an sein Ziel gelangt. Kann man fliegen? Wohin fahren Züge? Und wie kommt eigentlich die Verfasserin der Unterwegszeilen am liebsten von A nach B?
Für das Zurücklegen längerer Strecken bietet China diverse Verkehrsmittel, von denen an dieser Stelle vier beleuchtet seien: Flugzeug, Zug, Bus und Auto (samt Fahrer). Wie alles im Leben weisen sie so ihre Vor- und Nachteile auf, aber seht selbst.
Flugzeug
Für die meisten Chinareisenden ist das Flugzeug das Verkehrsmittel der Wahl, um das Land überhaupt erstmal zu betreten. Es ist irgendwie ein vertrautes Vehikel und funktioniert überall auf der Welt gleich. In den letzten Jahren werden v.a. in Yunnan viele Flughäfen gebaut und das Fliegen erfreut sich wachsender Beliebtheit.
Komfort: Chinesische Flugzeuge unterscheiden sich in keiner Weise von denen anderer Länder. Die Economy-Class-Sitze sind genauso klein wie anderswo, das Essen schmeckt wie auch an anderen Orten der Welt eher so mittel, Stewardessen sind mal nett und mal grummelig. Fliegen in China erfordert insofern aber viel Geduld (und Nerven), als ständig Flüge gestrichen werden und verspätet starten bzw. landen, was verschiedene Gründe hat – Reparatur, Wetter, Militärübung, you name it. Militärflüge haben Vorrang vor Zivilflügen, und gleichzeitig haben chinesische Touristen das Fliegen für sich entdeckt und die Luft über China ist ziemlich voll. Wenn also die Planung durcheinandergerät, dann so richtig – man sollte sich mental immer für Verspätungen unbestimmter Dauer wappnen, und sich mit den Essensvouchern und Hotelübernachtungen irgendwie zu trösten versuchen. Abgesehen von alledem ist Fliegen in China sehr sicher und Unfälle passieren wirklich nur selten. Das muss man natürlich mantraartig vor sich hin beten, während man sich in der Luft befindet, denn erfahrungsgemäß sind chinesische Inlandsflüge eher, sagen wir mal, ungemütlich.
Urigkeitsfaktor: Wie schon gesagt unterscheidet sich das Fliegen in China eher weniger vom Fliegen anderswo. Wer das Authentische, das „Chinesische“ sucht, wird es nicht in der Economy Class eines Airbusses finden.
Preis: Flugpreise können natürlich stark variieren. Billigairlines à la Ryanair haben sich noch nicht in China durchgesetzt, aber wer früh bucht, viel vergleicht und auch mal in Reisebüros nach Angeboten fragt, kann schon Schnäppchen machen. Das günstigste Transportmittel ist es trotzdem nicht.
Geschwindigkeit: Wenn nicht die berüchtigten Verspätungen eintreten, dann ist das Flugzeug natürlich in puncto Reisegeschwindigkeit unschlagbar. Wo der Zug tagelang jeden Berg einzeln umfährt, fliegt das Flugzeug kurzerhand drüber.
Urteil: Ich habe Flugangst und bin daher wohl keine unbefangene Jurorin. Und mal abgesehen davon: Fliegen ist in China zwar theoretisch effizient, es ist aber auch irgendwie langweilig, teuer und nicht sonderlich zuverlässig. Meine Wertung: 3/5 Punkte.
Zug
So viel sei vorweggenommen, ich bin eine große Zugreisende. Ich empfinde das Rattern eines Zuges als ungeheuer entspannend, ebenso wie das Herausblicken auf vorbeirauschende Landschaften. Das chinesische Zugnetz ist in den meisten (aber bei weitem nicht allen) Teilen des Landes gut ausgebaut und zumindest größere Städte haben immer einen Bahnhof.
Komfort: In China gibt es fünf Zugklassen: weich schlafen, hart schlafen, weich sitzen, hart sitzen, stehen. Ich selber habe sie alle fünf schon getestet und fahre am liebsten in den Kategorien hart schlafen oder hart sitzen. In letzter Zeit sind auf bestimmten Strecken über weich schlafen noch einige andere Klassen ergänzt worden, in denen man Getränke an den Platz bestellen kann und die Sitze ein bisschen aussehen wie in der Business Class im Flugzeug. (Leider hat meine Reisekasse noch keine solche Reise zugelassen, aber wenn sie passiert, sage ich euch Bescheid!)
Urigkeitsfaktor: Hoch! Eine Zugfahrt gehört zu jeder Chinareise absolut dazu.
Preis: Fahrtkartenpreise hängen natürlich von der Klasse ab. Weich schlafen kostet meist ähnlich viel wie fliegen, die anderen Klassen kosten weniger, wofür es ein irgendwie festgelegtes preisliches Verhältnis gibt. Stehen kostet genauso viel wie hart sitzen und wird erst verkauft, wenn hart sitzen ausverkauft ist. Im Gegensatz zu Deutschland ändern sich Preise für Zugtickets nicht, egal wann man sie kauft.
Geschwindigkeit: In China gibt es zugtechnisch so ziemlich alles, von der dörflichen Bimmelbahn zur gaotie 高铁, die schneller als der deutsche ICE fährt. Schneller als Fliegen wird man nie sein, schneller als der Bus unter Umständen schon.
Urteil: Leute, fahrt Zug! Quatscht mit euren Mitreisenden, betrachtet die chinesische Landschaft und bekommt ein Gefühl für die unfassbare Größe dieses wunderbaren Landes. Meine Wertung: 5/5 Punkte.
Bus
Busfahren geht immer. Wo es keinen Flughafen gibt, gibt es einen Bahnhof; wo es keinen Bahnhof gibt, gibt es einen Busbahnhof (oder mindestens einen Bussammelpunkt). Jedes Nest lässt sich in irgendeiner Form mit einem Bus erreichen.
Komfort: Joar nä. Es gibt komfortablere Optionen, sagen wir es mal so. Zumindest in ländlicheren Gegenden sind die Sitze klein und eher unbequem, und wer längere Zeit auf ihnen sitzt, merkt es irgendwann im Rücken. Wer vorne beim Beifahrer sitzt, befindet sich natürlich auf dem Todessitz (was ist eigentlich „Anschnallen“?), kann aber dafür ein bisschen die Beine ausstrecken. A propos, es gibt natürlich noch den ultimativen Todessitz in der Mitte der hintersten Reihe. Immer schön cool bleiben. Schlafbusse fahren auch hier und da, sind aber eher selten.
Urigkeitsfaktor: Hoch! Wer nach der Rückkehr nach Deutschland erzählen will, auf der Fahrt von X nach Y habe eine Oma mit Hühnern neben ihm gesessen, hat im Bus die besten Karten. (Sollte man auf solche Reisestorys Wert legen? Das ist wohl eine andere Frage).
Preis: Allen Abstrichen beim Komfort zum Trotz ist das Busfahren in aller Regel nicht günstiger als das Zugfahren. Teuer ist es trotzdem nicht, und mancherorts ohnehin die einzige Option.
Geschwindigkeit: Je nach Ausbau des Streckennetzes und Topographie ist der Bus mal schneller, mal langsamer als der Zug. Vergleichen lohnt sich also auf jeden Fall. Auf meinen diversen Yunnanreisen bin ich viel Bus gefahren, auch über längere Distanzen. Was man nicht unbedingt in den Artikeln erkennt: Zwischen den einzelnen Stationen einer solchen Reise muss man im Prinzip einen Tag zur Anreise planen. Ja, Yunnan entschleunigt.
Urteil: Busse sind irgendwie ein bodenständiges Transportmittel ohne viel Firlefanz, und außerdem oft die einzige Wahl. Meine Wertung: 4/5 Punkte.
Auto (mit Fahrer)
Auf Reisen durchaus beliebt, und mittlerweile auch per App buchbar: Fahrer, die einen entweder von einem Ort in den anderen bringen oder Rundreisen mit mehreren Stopps machen.
Komfort: Variiert nach Auto (und Fahrstil), ist aber generell hoch. Man ist unabhängig und ungebunden, kann aussteigen, wo man möchte und weiterfahren, wie es beliebt.
Urigkeitsfaktor: Diese Art des Reisens kann durchaus urig werden, wenn der Fahrer auftaut und plaudert, denn meistens kommen die Fahrer aus dem entsprechenden Ort. Oft profitieren sie irgendwie vom aufkeimenden Tourismus vor Ort, oft aber auch nicht so viel wie Investoren aus anderen Teilen des Landes, die hier Hotels oder auch nur ein paar Hostels bauen und betreiben.
Preis: Wer ein bisschen Geld sparen will oder muss, sollte sich vor dem Anheuern ein paar Mitreisende suchen, die die gleiche Strecke anvisiert haben und sich mit ihnen die Fahrtkosten teilen, denn sonst wird es teuer. Allzu hart sollte man aber auch nicht mit den Fahrern über den Preis verhandeln, denn sie sind, wie gesagt, nur so halbe Gewinner der Tourismusindustrie, die über ihren Heimatort hergefallen ist.
Geschwindigkeit: Das Fahren mit einem Fahrer ist auf jeden Fall zeitlich effizient und man schafft mehr Strecke als mit dem Bus oder dem Zug.
Urteil: Immer eine Überlegung wert! Man muss ein bisschen mehr Geld auf den Tisch legen, aber es lohnt sich. Meine Wertung: 4/5 Punkte.
Liebe Leserschaft, dies sind ein paar Optionen zum Reisen durch China, die euch hoffentich bei eurer nächsten Chinareise helfen, denn die nächste Chinareise kommt bestimmt. Es wird euch aufgefallen sein, dass das Fahren mit dem Auto ohne Fahrer (sprich: selber fahren) nicht in dieser Liste enthalten ist, aus dem simplen Grund, dass ich selber nicht in China fahren darf und möchte, und dass Autovermietung in China auch recht selten anzutreffen ist. Trampen ist nicht ganz unbeliebt, was ich mich bislang (noch) nicht getraut habe, aber worüber ich zugegebenermaßen auch noch nichts Schlechtes gehört habe, auch von Frauen. Sehr cool ist auch die Vorstellung, eine längere Radtour durch China zu machen, was in Yunnan, Qinghai und manchen anderen Orten auch durchaus verbreitet ist. Wenn das nicht nach einer neuen Reise schreit!
Eure Flugzeuge meidende Charlotte