Oder: Wovon redet die da?
Ausländische Studentin: (ist für das Frühlingsfest, das wichtigste Fest Chinas, zu ihrer Freundin Yan nach Longchang in Sichuan gefahren. Versucht sich an Smalltalk mit dem Cousin ihrer Freundin, der das Gymnasium besucht.) Und…was ist dein Lieblingsfach?
Cousin: (blickt verwirrt) Hm?
Ausländische Studentin: (zweifelt an ihren Sprachkenntnissen und bedient sich des Tricks der Umschreibung) Also… sozusagen ein Fach, das du gerne machst, Mathe oder Englisch oder so.
Cousin: (grübelt) Ich glaube… das habe ich nicht. (kratzt sich am Kopf – was um alles in der Welt will die Ausländerin von ihm?)
Ausländische Studentin: Gar nicht?
Cousin: Naja, Chemie finde ich in Ordnung. Aber meine Noten sind nicht so gut… (blickt betreten)
Ausländische Studentin: Naja, also, es ist doch wichtig, dass man interessiert ist…. (versucht diesem Fach, das sie bei der erstbesten Gelegenheit voller Freude abgewählt hat – einer der glücklichsten Momente ihrer Schullaufbahn –, irgendetwas Positives abzugewinnen) Chemie ist echt nicht schlecht! Man…sieht…Explosionen…und sowas.
Cousin: (jetzt erst recht verwirrt) Äääh… Wir machen eigentlich keine Experimente oder sowas.
Ausländische Studentin: Aaaachhhhso.
Liebes chinesisches Bildungssystem, was ist da schief gegangen? Kein Lieblingsfach zu haben, ist eine Sache, aber das Konzept gar nicht zu kennen, ist irgendwie doch nochmal eine andere Nummer.
Ein Einzelfall? Keineswegs:
Ausländische Studentin: (hakt später noch einmal bei ihrer Freundin Yan nach) Hey, dein Cousin meint, er hätte kein Lieblingsfach? Interessant.
Yan: Ein Lieblingsfach? (lacht) Nein, das gibt es doch nur in Deutschland!
Wie naiv und interkulturell insensibel von mir!
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