Oder: Kleinkram aus Peru
Liebe Leserschaft,
nach ein paar historischen Betrachtungen im letzten Eintrag nun mal zurück zum Hier und Jetzt mit einem Update zu Vermischtem. Es geht alles seinen Gang, die Temperaturen steigen und meine Spanischskills entfalten sich und befinden sich jetzt in der absoluten Danger Zone: Ich kann zu wenig, um Fettnäpfchen als solche zu identifizieren, aber genug, um mich in sämtliche von ihnen hineinzumanövrieren. Ich kann zu wenig, um mich nahtlos in Gespräche einzufügen und alle sprachlichen wie auch „kulturellen“ Konnotationen mitzubekommen, aber definitiv genug, um ein gewisses Kauderwelsch von mir zu geben, dessen Storys etwas anstrengend (vermute ich) zu entziffern sind. Andere Sprachaffine erkennen diese Phase vielleicht wieder, sie ist so ein bisschen wie die kalte Dusche im Hallenbad zwischen den Umkleiden und dem eigentlichen Schwimmbecken: Man muss da halt irgendwie durch.
À propos Fettnäpfchen. Ich versuche natürlich weiterhin zu durchschauen, wie man einander begrüßt und auch, welche Umgangsformen man so miteinander pflegt. Vor zwei Wochen war die Verabschiedung des Direktors des Radios, Padre Paco, 81 Jahre jung, ursprünglich aus Spanien, aber seit sechs Jahrzehnten in Peru. Für ihn wurde also ein Abschiedsvideo gemacht, für das alle ein einminütiges Video von sich selber mit Abschiedsworten bei einer Kollegin einreichen sollten, die dann alles zusammenschnitt. Tja. Letzten Freitag wurde das fertige Video vor Paco und dem Rest des Radioteams abgespielt und ich fand die ersten Clips auch wirklich sehr schön gemacht. Doch zugleich beschlich mich so ein ganz ungutes Gefühl, das ich zunächst gar nicht einordnen konnte, bis ich merkte, dass es daher rührte, dass die Anderen bei ihren Videos irgendetwas anders gemacht hatten als ich. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Sie siezten. Das hatte ich nie getan, einfach aus dem Reflex heraus, Leute zurückzuduzen, die mich ebenfalls duzen. Tja. Es dauerte noch zehn Minuten, bis mein duzendes Video kam, aber glaubt mir, diese zehn Minuten waren zugleich verdammt lang und verdammt kurz, und ihr Verlauf wäre allerhöchstens mit einem vorgetäuschten Asthmaanfall aufzuhalten gewesen. Seitdem lasse ich da Vorsicht walten. Peinlich.
Abgesehen von Ausrutschern dieser Art läuft es beim Radio Marañón aber eigentlich ganz gut, finde ich. In den letzten Wochen habe ich viel an der Homepage des Radios rumgebastelt. Jetzt wo zumindest alles getan ist, wozu ich in dieser Hinsicht in der Lage bin, pflege ich dort Artikel von den compañeras und compañeros ein und widme mich unseren diversen sozialen Medien, also v.a. Twitter und YouTube sowie ein bisschen Facebook. Außerdem mache ich Fotos auf Veranstaltungen (Vorträge, Sportturniere, Straßenumzüge, Jahrmärkte, malende Kinder, Tanzwettbewerbe, Party auf el campo,…) und seit Kurzem werde ich in die hohe Kunst der Facebook-Liveübertragungen sowie ein bisschen in die Welt der Werbung eingewiesen. Es bleibt auf jeden Fall spannend und abwechslungsreich, und man bekommt viel sowohl vom lokalen Geschehen als auch von größeren Ereignissen in Peru mit, primär natürlich (aber echt nicht nur) in unseren thematischen Kerngebieten: Frauenrechte, Menschenrechte, Umweltschutz, katholische Kirche.
Ansonsten versuche ich natürlich auch, Peru kulinarisch zu erfahren, denn Essen ist wichtig und außerdem ein wesentlicher Bestandteil jeder Kultur. An einigen Tagen koche ich mittags in meiner Butze, aber an anderen erkunde ich die verschiedenen Imbisse meiner Umgebung. Meistens bekommt man für fünf bis zehn Soles (also so ungefähr zwei oder drei Euro) eine Vorspeise, ein Hauptgericht und ein Getränk. Bei manchen schmeckt es natürlich besser als bei anderen, und zwei Lieblingsrestaurants habe ich auch schon ausgekundschaftet. Man isst hier sehr viel Reis (genau mein Ding!), diverse Erdknollen, Huhn, Hülsenfrüchte aller Art, Schwein, Kochbananen usw. Sonderlich scharf ist es nicht, aber man erhält in aller Regel eine halbierte Limette zum Gericht, deren Inhalt man auf selbigem verteilen kann.
Ich fühle mich durchaus wohl hier und merke außerdem richtig, wie der Stress meines Masters von mir abfällt. Von daher bin ich sehr froh, diese Entscheidung getroffen zu haben, wobei aber auch anzumerken ist, dass der Ausdruck „eine Entscheidung treffen“ hier nur so halb passt. Denn er impliziert irgendwie einen langen Denk- und Abwägungsprozess, Pro- und Contra-Listen, gründliche Überlegungen, viele viele Nächte zum „Drüberschlafen“. So war es aber nicht. Es waren vielmehr ein paar Mails und Telefonate, und zack, nach ein paar Tagen hatte ich ihn mir geschnappt, diesen Platz. Es war definitiv keine Entscheidung aus dem Kopf heraus, sondern fast ausschließlich aus dem Bauch, dem ich sehr dankbar bin, dass er mir dazu riet.
Übermorgen geht es wieder auf Wallfahrt – wünscht mir gutes Wetter!
Eure vom ganzen Geschreibe über Essen echt Appetit bekommende Charlotte