Oder: Plattenbau, schwimmbadgrün
Liebe Leserschaft,
beste Grüße aus dem schwülen Suzhou, unweit von Nanjing. Die Klimaanlage in meinem Hostel geht nicht, es ist gefühlt 40 Grad hier und meine Finger kleben beim Tippen ein kleines bisschen an den Tasten, so heiß ist es. Das so als Hintergrundinfo. Nichtsdestotrotz möchte ich euch ein bisschen was über Pyongyang erzählen, eine wirklich interessante Stadt. Auf meiner kleinen Nordkorea-Reise Mitte Juni bildete sie den Mittelpunkt der Tour und hier haben wir die meiste Zeit verbracht.
Pyongyang ist ein ganz hübscher Ort. Nach dem Koreakrieg war er komplett zerstört und wurde unter Kim Jong-Il neu aufgebaut, und zwar als eine Art „perfekte“ Stadt, nach damaliger sowjetisch geprägter Vorstellung. Das Ergebnis sind viele Parks, viele Monumente (also wirklich: viele, und in aller Regel recht pompös), teils tristgrauer, teils bunt gestrichener und sehr gepflegter Plattenbau und diverse irgendwie leicht ungewöhnliche Architektur – allen voran das Ryugyong-Hotel, eine pyramidenförmige Struktur, die in der Pyongyanger Skyline durchaus präsent ist, jedoch innen noch nicht fertig gestellt ist (Baubeginn war 1987, doch als die Sovietunion zusammenbrach, wurde der Bau angehalten und bis heute nicht abgeschlossen, zögerlichen Versuchen seiner Fortsetzung zum Trotz). Außerdem ist Pyongyang, wie auch die anderen nordkoreanischen Städte, die wir gesehen haben, unfassbar sauber.
Was gibt es also zu sehen? Viel! Hier mal ein paar der Orte, die wir besucht haben.
Mansudae Fountain Park: Zunächst einmal ist der Mansudae Fountain Park, wie der Name verrät, ein Park mit ganz vielen Springbrunnen, der bekannteste davon mit einer Statue tanzender Frauen, zu Ehren Kim Il-Sungs. Ebenso in dem Park findet sich ein großes Mosaik der Portraits Kim Il-Sungs und Kim Jong-Ils. (Kim Jong-Uns Abbild sieht man fast gar nicht im Straßenbild, und auch Kim Jong-Ils Statuen und Bilder wurden erst gegen Ende seiner Herrschaft ergänzt, viele auch erst nach seinem Tod.) Ebenso in diesem Park finden sich zwei große bronzene Statuen von Vater und Sohn, das Mansudae Grand Monument. Die Statuen sind sehr wichtig für Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner und man muss sich tatsächlich schick machen, um sie zu besichtigen und darf nur ernste Fotos machen.
Juche Tower: Juche ist die offizielle Ideologie Nordkoreas und dreht sich v.a. um Selbständigkeit und Unabhängigkeit, sowohl auf das Land als auch auf den Einzelnen bezogen. Als Land gilt es, autark zu sein und v.a. nicht abhängig von anderen Ländern, weder in politischer noch in ökonomischer Hinsicht, was die jüngsten Raketentests zumindest ein bisschen kontextualisiert. Doch Juche gilt auch für den Einzelnen: Jeder hat sein eigenes Schicksal in der Hand, natürlich unter der leitenden Hand des Staates sowie des Sozialismus. Es dauert eine Weile, bis man sich da so ein bisschen reingedacht hat, die Fahrt auf den Turm, der von einer nachts rot erleuchtenden Flamme gekrönt wird, jedenfalls lohnt sich so oder so, man hat wirklich eine tolle Aussicht auf Pyongyang.
Triumphbogen: Tatsächlich inspiriert vom Pariser Arc de Triomphe, nur, welch Zufall, etwas größer – nach dem Revolutionsmonument in Mexico City ist der Pyongyanger Triumphbogen der höchste der Welt. Der Triumph besteht hier übrigens im Widerstand gegen die japanische Besatzung von 1925-1945. Man kann auch auf den Bogen hinauffahren und die Aussicht über Pyongyang genießen.
U-Bahn: Die Pyongyanger U-Bahn wurde in den 1960/70ern gebaut und umfasst 16 Stationen, von denen wir bei vieren waren, alle sehr hübsch gestaltet, mit riesigen Mosaiken (sozialistischer Realismus, versteht sich) und so einer Art Kronleuchtern an der Decke. Die Züge stammen übrigens aus der DDR, zu erkennen erstens am Stil und zweitens an Gravuren in den Fensterscheiben. Ansonsten ist die Pyongyanger U-Bahn eine der tiefsten der Welt, weshalb man sehr lange auf einer sehr schnellen Rolltreppe in so einen Schacht fährt. Ob das nun daran liegt, dass man ursprünglich die U-Bahn ursprünglich unter dem ebenfalls tiefen Taedong-Fluss, der durch Pyongyang fließt, bauen wollte, oder dass im Fall der Fälle U-Bahnen einen brauchbaren Bunker abzugeben scheinen, sei nun mal dahingestellt. Sehr ungewohnt für das westliche Auge an dieser Rolltreppenfahrt in den Schacht ist jedenfalls, dass dort keinerlei Werbung zu sehen ist, sondern nur klinisch weiße Wände.
Kriegsmuseum: Propaganda! Mehr muss man eigentlich nicht sagen. Wer sich für Waffen und Kriegsgefährt interessiert, ist hier ganz gut aufgehoben. Neben dem Museum liegt die USS Pueblo vor Anker, das einzige US-amerikanische Kriegsschiff, das sich in Besitz eines anderen Landes befindet, und das seit 1968. Die Besatzung wurde gefangen genommen und gefoltert. Nach einem Jahr Verhandlungen, an deren Ende ein Geständnis der USA stand, in nordkoreanisches Gebiet vorgedrungen zu sein, wurden die Gefangenen entlassen.
Es gab natürlich noch einige weitere Sehenswürdigkeiten, die wir besichtigt haben, aber das so als kleiner Einblick.
Ebenfalls interessant am Pyongyanger Straßenbild sind solche kleinen Kiosks, die Snacks, Getränke und Blumen verkaufen: Die sind neu. Oder zumindest in dieser Form neu. Denn sie sind so halb privat – man mietet sich diese Bude vom Staat und kann den Gewinn behalten. Der Hintergrund ist, dass es in Pyongyang wie auch im Rest von Nordkorea seit jeher Schwarzmärkte gibt, auf denen privat gehandelt wurde, die aber unter Kim Jong-Un in dieser Form legalisiert wurden. Sehen wir in Pyongyang also Anfänge von Privatwirtschaft? Gute Frage. Man könnte sich sehr leicht zu der These hinreißen lassen, dass in Nordkorea ein ganz langsamer wirtschaftlicher Wandel stattfindet. Es bleibt wohl abzuwarten.
A propos Spekulationen: Nicht in unserer Reisegruppe, aber in diversen Internetforen wird manchmal die Theorie laut, dass alles, was man als Touri in Pyongyang zu sehen bekommt, gestellt ist, dass alle Menschen, die man dort sieht, Schauspielerinnen und Schauspieler sind, dass z.B. die U-Bahn nur fährt, wenn mal eine ausländische Reisegruppe anspaziert kommt. Das ergibt natürlich aus verschiedenen Gründen keinen Sinn. Erstens sind wir halt doch nur Touris und bei Weitem nicht wichtig genug, eine komplette Stadt gefälscht zu bekommen. Zweitens sind eigentlich immer ausländische Reisende in Pyongyang und das Aufrechterhalten dieses „Filmsets“ wäre ein unglaublicher Aufwand, mal ganz abgesehen davon, dass in Pyongyang auch ausländisches Botschaftspersonal, Studierende usw. leben, die dann wohl regelmäßig sähen, wie am Filmset Feierabendbierchen geöffnet würden, wenn die letzten Touristen im Zug bzw. Flugzeug heimwärts sitzen. Drittens gibt es keinerlei Hinweise auf die Nicht-Existenz Pyongyangs z.B. von Flüchtlingen. Es stimmt natürlich, dass man auf einer Nordkoreareise so manches vorgegaukelt bekommt, aber…eine ganze Stadt? Wohl kaum. Das wollte ich nur mal loswerden.
Also, das war Pyongyang, in vielerlei Hinsicht so ganz anders als erwartet, in manchem aber auch wie man es sich vorstellt, oder zumindest wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber man muss es wohl selber gesehen haben, um sich ein Urteil zu bilden.
Hier noch mehr Bilder!
Eure nicht mehr schwitzende Charlotte