Oder: Hay música
Liebe Leserschaft,
mit etwas Verspätung: Frohe Weihnachten! Ich hoffe ihr habt das Fest ruhig und besinnlich im Kreise eurer Lieben genossen und euch gut erholt.
Mein Weihnachten war auch sehr schön, wenngleich alles andere als ruhig und besinnlich. Denn Weihnachten ist, wie ich jetzt weiß, in Peru eine große, laute, actionreiche Fiesta. Ich neige nicht zu Nostalgie, aber so ein guter, solider, deutscher Advent hat mir in den letzten Wochen schon ab und an gefehlt – kann man nix machen. Entsprechend ist es nur logisch, dass auch ein peruanisches Weihnachten eher weniger mit dem Schieben einer ruhigen Kugel verbunden ist, sondern mit Party.
Und Party heißt natürlich: Spät anfangen, zu einer Uhrzeit, zu der ich an Heiligabend in Deutschland schon mit vollem Bauch im Reich der Träume verweile, nämlich kurz vor Mitternacht. Um Punkt 12 wird angestoßen und dann geht der Spaß los. Meist wird zuerst gegessen, z.B. Truthahn (pavo) oder anderes Federvieh, dann besucht man evtl. ein paar Freunde und zieht dann in la discoteca. Und überhaupt: Meistens ist die Antwort auf meine Frage, was man in Peru zu diesem und jenem Anlass denn so tut, eine Aufzählung verschiedener Aktivitäten, und früher oder später folgt der Satz: „Hay música“, es gibt Musik. Essen, Familie, Freunde, Feiern, hay música: So wurde mir der Ablauf geschildert und ich war also durchaus gespannt, das Spektakel zu erleben.
Ich war dieses Jahr bei Anny, einer compañera vom Radio Marañón, und ihrer Familie. Es gab sehr leckeres Huhn, Salat, ein Weihnachtsgebäck namens panetón, Obst, Wein und Kakao, was wohl das Weihnachtsgetränk hier ist. Es war also ein ordentliches Festmahl, was erstens sehr schmackhaft, zweitens aber auch in Anbetracht der vor uns liegenden Nacht als Grundlage in gewisser Weise auch erforderlich war, wie ich dann später feststellte.
Zunächst aber statteten wir Annys erweiterter Verwandtschaft einen Weihnachtsbesuch ab, die sehr sweet war und jedem einzeln eine Feliz Navidad wünschten. Es schien sich um so eine Art Weihnachtschillen im Wohnzimmer zu handeln, mit ganz viel hay música, versteht sich, einigen Kindern, etwas Verdauungsschnaps und Feuerwerk(!). Hier ließen wir uns also für eine Weile nieder und unterhielten uns.
Um den hay música-Faktor noch etwas zu erhöhen, wurde alsbald der Besuch einer discoteca vorgeschlagen, eine Idee, die durchaus Anklang fand. Und so verabschiedeten wir uns wieder von der Verwandtschaft, um einen Nachtclub aufzusuchen.
In der discoteca verbrachten wir dann den Großteil des restlichen Abends. Es wurde jede Menge lateinamerikanische música gespielt: Salsa, Merengue, Cumbia, ein bisschen Elektro und ein bisschen Pop. Dazu gab es eine etwas wilde Mische aus Whiskey mit einem Softdrink, das am ehesten an Fanta erinnerte, und das in der Kombination eigentlich gar nicht so übel schmeckte, wie es jetzt klingen mag.
In gewisser Hinsicht erinnerte dieses gesamte Tanzlokal an seine chinesischen Pendants: Man hatte mit seiner Truppe so ein Tischchen, auf dem man sein diverses Gesöff abstellen konnte (und auf dem eigentlich nur noch der heiß geliebte chinesische Nachtclub-Obstkorb fehlte), es gab eine Art Animator, und nach Verlassen des Clubs klingelten einem vor der Tür ordentlich die Ohren. Dortselbst torkelten dann die diversen Nachtschwärmer auf ihre Motorräder/Mopeds und zogen heimwärts oder zur nächsten hay música.
Wir fuhren also zurück zu Anny, wo zwecks Bekämpfung der sich ankündigenden Müdigkeit und Verwirrung ob des einsetzenden Tageslichts Whiskey-Cola gemischt wurde. Irgendwer schmiss música an und wir unterhielten uns noch eine Weile und aßen dann zum Frühstück die Reste des Weihnachtsfestmahls. Mit gut gefülltem Bauch und leicht wunden Füßen lag ich dann um sieben im Bett, natürlich in den Genuss des hay música der Nachbarn kommend, die zu dieser Zeit erst richtig anfingen. Auch gut.
Und das war Weihnachten! Definitiv eine Erfahrung und sehr unterhaltsam. Wie habt ihr gefeiert?
Guten Rutsch allerseits, möge 2020 voller schöner Reisen und toller Eindrücke sein.
Eure die ganze Aktion ohne Kater/Filmriss/peinliche Fotos/… durchgestanden habende Charlotte
Cover Image über Pixabay