Oder: Immer mit der Ruhe…und immer mit Vokabelliste
Liebe Leserschaft,
einige von euch lernen Chinesisch, eine Entscheidung, zu der ich euch nur gratulieren kann. Eine wunderbare Sprache! Ihre Funktionsweisen sind ganz fabelhaft und sie schenkt euch so schöne Wörter wie „maotouying“ 猫头鹰für „Eule“ – wörtlich: der Adler mit dem Katzenkopf. Ich wüsste nicht, wie man diesen Vogel besser beschreiben könnte.
Im Leben eines jeden Chinesischlernenden stellt sich früher oder später die Frage: Mache ich die Chinesischprüfung HSK? Und wenn ja, wann und welches Niveau? Dann sucht man diverse Leitfäden im Internet, findet mehr oder minder hilfreiche Tipps, und entscheidet sich, wenn schon denn schon, für die höchste Stufe: HSK 6. In unserem heutigen Beitrag möchte ich ein paar Tipps für alle geben, die HSK 6 machen möchten. Auf ins Vergnügen!
Was ist HSK?
HSK ist die Abkürzung für Hanyu Shuiping Kaoshi (汉语水平考试), und die Übersetzung ist recht selbsterklärend: Chinesischniveauprüfung. Gewissermaßen ist HSK also das (festland-)chinesische Pendant zur IELTS, TOEFL, DELE, DELF usw. – ein offizielles Sprachzertifikat. Es stammt in diesem Fall von Hanban 汉办, dem staatlichen „Office of Chinese Language Council International“, das dem Propagandaministerium unterstellt ist. Mja.
Es gibt sechs HSK-Niveaus, die einem jeweils ein gewisses Vokabular bescheinigen – HSK 1 kennt z.B. 150 Wörter, die sich aus 174 Schriftzeichen zusammensetzen, HSK 6 umfasst 5000 Wörter (davon 2500 neue seit HSK 5) bzw. 2663 Schriftzeichen (davon 978 neue). Der Test gliedert sich in die drei Teile Hören, Lesen und Schreiben. Was fällt auf? Richtig, es findet keine mündliche Prüfung statt.
Und damit sind wir auch schon bei der Crux von HSK angelangt: Die Prüfung sagt nicht allzu viel über euer tatsächliches Chinesischniveau aus. In einem Chinesischkurs hatte ich mal einen Kommilitonen mit ganz grauseligem Chinesisch, der aber mit viel Üben und Auswendiglernen HSK 6 erreicht hatte. Wer halbwegs Chinesisch kann, muss HSK 6 nicht sonderlich fürchten, aber umgekehrt kann auch jemand durchkommen, der eigentlich keinen geraden Satz rauskriegt.
Ist es also überhaupt sinnvoll, eine HSK-Prüfung zu machen? Nicht unbedingt. Da der Test nur zwei Jahre gültig ist, bringt es nicht sonderlich viel, ihn so rein sicherheitshalber mal zu machen und in die Schublade zu legen (und eventuell dort zu vergessen). Die Zeit, die ihr in die Testvorbereitung steckt, ist wohl doch sinnvoller in die tatsächliche Chinesischverbesserung investiert – guckt Serien, lest Zeitungen, unterhaltet euch.
Aber natürlich kann es sein, dass HSK (meist 5 oder 6) für einen Studienplatz oder eine Stelle verlangt wird. Da hilft nur: Augen zu, Vokabelliste drucken, Nerven bewahren, und durch. Und die folgenden Unterwegszeilen-Tipps beherzigen.
Allgemeines
Vorab ein paar generelle Tipps:
- Ja, Vokabellisten – die Hassliebe eurer HSK-Vorbereitung. Es gibt eine feste Vokabelliste für jedes HSK-Niveau, die für HSK 6 umfasst, wie oben erwähnt, 5000 Wörter, von denen 2500 nicht auf der HSK 5-Liste standen. Wie lernt man diese Wörter also? Ich habe mir die Liste einfach ausgedruckt und bin sie immer wieder durchgegangen; wenn ich ein Wort kannte, habe ich es durchgestrichen. Natürlich gibt es da verschiedene Herangehensweisen. Manche arbeiten mit Karteikarten, andere bauen sich Unmengen Beispielsätze, wieder andere gruppieren die Wörter zu Wortfeldern (z.B. Emotionen, Beruf, zwischenmenschliche Beziehungen, wie es euch gefällt), Technikaffine haben irgendwelche Apps. Benutzt einfach Techniken, mit denen ihr ohnehin vertraut seid und die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Es reicht eigentlich, die 2500 neuen Wörter zu lernen, wer auf Nummer sicher gehen will, schaut sich noch die 2500 alten an (eigentlich aber nicht nötig). HSK-Vokabellisten gibt es zuhauf im Internet. Diese Vokabelliste wird euer bester Freund und ärgster Feind in der HSK-Vorbereitung sein, ihr könnt sie irgendwann nicht mehr sehen, aber ohne geht auch nicht.
- Es gibt mehrere Bücher mit den Prüfungen der vergangenen Jahre, die sehr, sehr hilfreich sind, um zu bestimmen, wo man noch ein bisschen fleißig sein muss. Bei HSK geht es, wie gesagt, nicht darum, wie gut ihr Chinesisch könnt, sondern darum, wie gut ihr diesen Test durchschaut habt und wie gut ihr die HSK-Vokabeln, unabhängig von ihrer Relevanz für euren China-Alltag, gebüffelt habt.
- Zeitmanagement! (mehr dazu gleich)
- Nerven bewahren. Wer es bis HSK 6 geschafft hat, wird chinesischtechnisch schon irgendwas auf dem Kasten haben.
- Die Hör- und Leseabschnitte sind als Multiple Choice konzipiert. Multiple Choice ist natürlich immer so seine eigene Welt. Lasst euch nicht von anderen Antworten verwirren und lernt, Antworten auszuschließen. Wenn man gar nicht weiter weiß, soll man (anscheinend) immer die gleiche Antwort nehmen; bei mir ist das z.B. C wie Charlotte. Wer Multiple Choice kennt, weiß irgendwann, was für ihn am besten funktioniert.
- Papier oder Computer? An manchen Testzentren hat man die Wahl. Wer nicht so gut schreiben kann, fährt wohl am Computer besser, wer sich (wie ich) gerne Sachen markiert oder anstreicht, sollte wohl eher zum Papier greifen. Entscheidet euch, und bereitet euch entsprechend vor.
- Manchen hilft auch ein Vorbereitungskurs für HSK 6. Letztlich übt man da auch nur (überwiegend) mit den alten Prüfungen, aber je nach Lehrer kann solch ein Kurs trotzdem ganz nützlich sein.
Hörverstehen
Beim Hörverstehensabschnitt gibt es 50 Fragen, die in 35 Minuten zu beantworten sind. Es kommen mehrere kleinere Dialoge oder Texte, zu denen am Ende ein paar Fragen vorgelesen werden, deren Antwortmöglichkeiten (ohne Fragen) auf eurem Prüfungsbogen stehen. Es gibt keine Wiederholungen. So weit, so simpel. Ein paar Tipps:
- wie mein Geigenlehrer zu sagen pflegte: Üben, üben, üben! Die alten Prüfungen sind dafür sehr hilfreich. Mit der Zeit kommt ihr besser mit der Geschwindigkeit klar und wisst, wonach gerne gefragt wird (oft nach Details)
- nutzt die Zeit zwischen Ausgabe der Prüfungsbögen und dem Abspielen der Aufnahme. Schaut euch an, welche Wörter in den Antworten stehen, und achtet beim Hören besonders auf diese. Natürlich gibt es da auch Fallen, aber dass ein Wort (oder sein Synonym) in der Aufnahme gar nicht vorkommt und trotzdem die richtige Antwort darstellt, ist sehr selten.
- Ohren spitzen! Ihr hört die Texte nur ein Mal und die Frage steht nicht auf dem Blatt – also volle Konzentration.
Leseverstehen:
Beim Leseverstehen werden euch ein paar Texte vorgesetzt, zu denen ihr inhaltliche Fragen beantworten müsst oder in die Wörter einzusetzen sind, wieder mit Multiple Choice. Ihr habt 50 Minuten Zeit und es gibt 50 Aufgaben. Was ist dabei zu beachten?
- Geschwindigkeit!! Ihr müsst schnell sein. Der Kardinal(anfänger)fehler ist, zuerst die Texte in aller Gründlichkeit zu lesen und dann die Fragen. Mit dieser Technik wird eine Aufgabe pro Minute schwierig. Geschickter ist es, bei jedem Text zuerst die erste Frage und ihre Antwortmöglichkeiten zu lesen und dann den Anfang des Textes nach den Wörtern der Lösungsmöglichkeiten zu überfliegen. Wo ihr eines dieser Wörter entdeckt, lest ihr dann genauer – meist ist das schon die Antwort. Dann Frage 2 lesen und so weiter. Da die Fragen in der Reihenfolge des Erscheinens der Antworten im Text gestellt werden, klappt diese Taktik ganz gut.
- Begriffspaare Die HSK-Entwickler lieben, wie es scheint, ähnliche, aber nicht ganz gleiche Wörter. Dies trifft v.a. auf die Aufgaben zu, bei denen Wörter einzusetzen sind. Oft sind bei diesen Aufgaben von vier Antworten zwei von vornherein auszuschließen, und die anderen zwei sind ähnlich, aber eben nicht gleich. Als Beispiele: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen 方法 und办法? Oder zwischen 忽然 und 突然? Eins ist an dieser Stelle richtig, eins falsch. Manche Prüflinge gehen bei diesen Fragen eher nach Bauchgefühl, manche bereiten sich mit speziellen Lehrwerken für genau solche Vokabelspitzfindigkeiten vor. Wenn das Bauchgefühl beim Üben mit den alten Prüfungen nicht so richtig einsetzen will, könnte man über eine solche Investition nachdenken.
Textkomposition
Der einzige Teil, wo ihr tatsächlich etwas zu Papier bringt, aber eigentlich auch nichts Tiefgründiges, ist der dritte und letzte Teil, die Textkomposition. Ihr erhaltet einen Text von 1000 Zeichen, den ihr 10 Minuten lesen dürft, ohne euch Notizen zu machen. Danach müsst ihr den Text wieder abgeben und ihn aus dem Gedächtnis in 400 Zeichen zusammenfassen. Alles weniger wild, als es klingt, wenn ihr die folgenden Tipps beherzigt:
- nachdem ihr den Zettel abgegeben und den Text für das Verfassen eurer Zusammenfassung erhalten habt (aber wirklich erst dann), könnt ihr euch ein paar Notizen auf diesem machen, die ihr später wieder wegradiert. Ist so halb erlaubt, also übertreibt es nicht und notiert nur Sachen, die ihr zu vergessen fürchtet.
- Chronologie! Die eigentliche Geschichte ist eigentlich nicht schwer, aber wichtig ist, dass ihr alles in der gleichen Reihenfolge wie im Original wiedergebt.
- Nichts interpretieren. Es ist China, eure Meinung ist jetzt einfach mal nicht gefragt. Was in grauer Vorzeit in der Schule als „einfache Inhaltsangabe“ müde belächelt wurde, ist hier die Kunst. Eure Analyse des Seelenlebens des Protagonisten ist sicher spannend, wird aber bedauerlicherweise hier nicht verlangt.
- Satzstrukturen. Wie bei allen Tests dieser Art ist ein wichtiges Bewertungskriterium die Komplexität eurer Syntax. Macht es nicht zu kompliziert, aber bildet auch keine Zweiwortsätze. Konjunktionen, von denen die chinesische Sprache doch einige kennt, sind hier gut. Baut eifrig auch alles ein, was euch aus Chinesischkursen oder Fachtextlektüre als „schriftliche Ausdrücke“ bekannt ist.
- Chengyus einstreuen. Chengyus, die berühmten aus vier Zeichen bestehenden Redewendungen der chinesischen Sprache also, sollte man versuchen einzubauen. Es scheiden sich so ein bisschen die Geister an der Frage, ob man genau die Chengyus aus dem zusammenzufassenden Text recyclen sollte oder genau diese eben nicht – keine Ahnung. Ich habe andere genommen und es hat ganz gut geklappt. In dem Zusammenhang ist es auch gut, ein paar Chengyus (oder auch, sagen wir mal, Pseudochengyus, also schick klingende Ausdrücke mit vier Zeichen) in petto zu haben, die man eigentlich immer irgendwie einbauen kann, weil sie so allgemein sind. Zum Beispiel: jiayuhuxiao 家喻户晓 („wie alle Familien wissen“, allgemein bekannt),lisuodangran 理所当然 (selbstverständlich),bingburuci 并不如此 (aber keineswegs) und dergleichen. Da auch bei HSK 6 die meisten Texte versuchen, eine Moral zu vermitteln, ist es ganz geschickt, sich entsprechende Chengyus vorher rauszusuchen, also z.B. bantuerfei 半途而废 (auf halber Strecke aufgeben) oder fuyanliaoshi 敷衍了事 (etwas halbherzig machen).
- Nerven bewahren. Der Schreibabschnitt von HSK 6 ist nicht so gruselig wie sein Ruf. Er birgt natürlich das größte Risiko, denn wer ein Blackout hat, den starrt nun ein weißes Blatt an. Aber: Die Texte sind an und für sich nicht schwer zu verstehen und bestehen entweder aus aneinander gereihten Fakten oder erzählen eine Geschichte mit Moral am Ende. Außerdem ist in den zehn Minuten Zeit, den Text mehrmals zu lesen.
Und dann wird das schon! Liebe Leserschaft, viel Erfolg! Ihr kriegt das hin. Hier noch ein kleiner Vergleich vom Testablauf von IELTS und HSK.
Was sind eure HSK 6-Hacks? Und was bereitet euch die meisten Schwierigkeiten?
Eure einen abgelaufenen HSK 6 besitzende Charlotte
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