Oder: Geschichte ist eigentlich immer kompliziert
Liebe Leserschaft,
Es ist der 18. September, der letzte Eintrag liegt schon ein paar Tage zurück. Das liegt daran, dass irgendwie viel los war, ich mich durch ein bürokratisches Labyrinth gewuselt habe und nun so eine Art Gasthörerin bei den Juristen bin, außerdem hat die Regenzeit hier vor ihrem Ende noch einmal richtig zugeschlagen und damit ging eine gewisse Kälte einher, die irgendwie so viel Energie verlangt, dass man nicht mehr tippen mag.
Es ist aber auch der 18. September, ein Tag, an dem in China mancherorts, u.a. auf dem Campus der Yunnan-Universität, Sirenen erklingen. Daher hier eine kurze Schilderung eines eigentlich kurzen historischen Zwischenfalls, der aber bis heute nachwirkt (zum Beispiel in Gestalt besagter Sirenen). Am 18.9.1931 verübten japanische Offiziere einen Anschlag auf eine Eisenbahn nahe dem heutigen Shenyang 沈阳 im eisigen Nordosten Chinas. Im Grunde geschah der Eisenbahn selber nichts (wenige Minuten später soll sogar der nächste Zug über die angegriffene Stelle gefahren sein), aber Japan schob den Anschlag China in die Schuhe. Dazu muss man wissen, dass Shenyang damals nicht Shenyang hieß, sondern Mukden und Teil des großen japanischen Einflussgebietes der Mandschurei war. Theoretisch gehörte das Gebiet (x-mal so groß wie Deutschland) also zur Republik China, praktisch war dem nicht so, und auch die Eisenbahnlinie gehörte dem zu der Zeit expansionistischen Japan.
Was also geschah dann? Japan hatte nun seinen Vorwand, die Mandschurei zu besetzen, und gründete hier ein halbes Jahr später, im März 1932, den Marionettenstaat der Mandschurei (Manzu Guo 满族国), dessen „Oberhaupt“ niemand Geringeres als der letzte chinesische Kaiser war, Puyi. Offensichtlich hatte er nichts zu melden. Und so errichteten die Japaner in der Mandschurei eine Schreckensherrschaft, die bis 1945 anhalten sollte.
Für die in dieser Zeit begangenen Verbrechen hat sich Japan nie entschuldigt, was natürlich von chinesischer Seite instrumentalisiert wird. Es wird dadurch schwe, sich hier irgendwie richtig „auf eine Seite zu schlagen“ (sollte man das überhaupt?). Und so werden wohl noch eine ganze Weile am 18. September Sirenen durch China schallen.
Eure Sirenen nicht wirklich als Lösung betrachtende Charlotte