Oder: Auf den Spuren der Azteken
Mittlerweile bin ich wieder in Sturmfestunderdverwachsen. Aufmerksamen Lesern wird aufgefallen sein, dass die letzten Bilder keineswegs mehr aus Spanien stammen, sondern unter anderem – Achtung, Überleitung – aus Neu-Spanien, sprich Mexiko. Es gab schon einige Fotos (und ein Bild sagt ohnehin bekanntlich mehr als tausend Worte), aber dennoch werde ich das Ganze nun noch textuell etwas untermauern.
Also! In Mexico City habe ich meine Freundin Maria Aurora besucht, die ich 2009 in Shanghai kennen gelernt habe, sowie bei im Zuge dessen auch ihre vielköpfige, witzige, herzliche Familie. Es war sehr schön und gesellig und durchaus ereignisreich. Es war fast schon, wie es einem das Klischee vermitteln will, es war immer etwas los und man hörte viel Lachen, ab und an auch eine Auseinandersetzung, nach der aber niemand schmollte.
Mexico City ist ganz cool, hat so viele Einwohner wie Shanghai (21 Millionen) und eine schwindeligere Höhe als Kunming (2200 m) und auch die Luftverschmutzung kommt mitunter an chinesische Werte heran. [1]
Einem Orakel folgend gründeten im 14. Jahrhundert die Azteken die Stadt Tenochtitlan an dem Ort, an dem ein Adler auf einem Kaktus eine Schlange verspeist. Die Szene ziert heute die mexikanische Flagge. Zwei Jahrhunderte später erschienen Hernán Cortés und die Spanier, machten die Stadt dem Erdboden gleich und bauten sie kurzerhand nach eigenen Vorstellungen neu. 1821 wurde Mexiko nach elf Jahren Krieg gegen Spanien unabhängig und ein eigenes Land. In a nutshell.
Auf jeden Fall gibt es in Mexico City viel zu sehen und zu unternehmen und natürlich zu essen. Zu den Umgestaltungsvorhaben der Spanier zählte der Bau einer Kathedrale auf einem vormals riesigen Tempel der Azteken, die nun leider auf zu sumpfigem Untergrund steht, weshalb der Boden uneben und manche Außenwand krumm und schief ist. Man versucht mit diverser Hydraulik der Lage Herr zu werden, der Erfolg scheint aber bislang eher bescheiden zu sein, denn der Besucher der Kathedrale verspürt unter seinen Füßen eine leichte Steigung. Die Kathedrale ist aber ansonsten durchaus sehenswert und von großen Dimensionen. Sie ist die größte Kathedrale Lateinamerikas und auch Orgeln, Glocken und Krypta sind von beachtlichem Maßstab.
Was vom Azteken-Tempel nicht der spanischen Bauwut zum Opfer fiel, ist auch zu besichtigen. Der Templo Mayor wurde öfters vergrößert, indem man um den bestehenden Tempel einen neuen baute, sodass ein Besuch der Ruine wie ein Querschnitt durch die Baugeschichte der Anlage anmutet. Jede Mauer, durch die man sich auf dem Weg zum Zentrum begibt, führt zu einer älteren, bis man bei dem ursprünglichen Tempel aus der Gründungszeit Tenochtitlans angelangt ist.
Kathedrale und Templo Mayor befinden sich am sogenannten Zócalo, einem weiträumigen Platz, dessen Name wörtlich „Sockel“ bedeutet. Der Name hat seinen Ursprung in dem Scheitern des Unterfangens, auf dem Platz ein Monument für die Unabhängigkeit von 1821 zu errichten, man schaffte es nur bis zum Sockel und war sich uneinig bezüglich der weiteren Gestaltung des Werkes. Lange Zeit stand hier der nackte Sockel, den man schließlich auch noch abbaute (war dann wohl doch irgendwie egal), doch der Name ist geblieben und wurde sogar für andere zentrale Plätze mexikanischer Städte übernommen.
Sehr gut gefiel mir auch das Haus von Frida Kahlo und Diego Rivera im Stadtteil Coyoacán. Coyoacán ist sehr hübsch, mit niedlichen Häusern, vielen Plätzen, kleinen Straßen und einer putzigen Bimmelbahn für Touristen. Wir waren lecker essen, mit dem Bähnchen auf Tour und eben in besagtem Kahlo-Haus.[2]
Wir haben uns in Mexico City noch so einiges Anderes angesehen und nicht-Touristisches unternommen, aber auch außerhalb der Stadtgrenzen gibt es Besichtigenswertes. Wir haben zu elft mit Kind und Kegel einen Familienausflug nach Bernal unternommen, das ist ein ganz hübsches Dorf, vor allem bekannt für seine Felsformation. Diese Familie setzt ihre Prioritäten genau richtig, nach der Ankunft fand erstmal eine leckere, stärkende, gesellige Einkehr statt. Anschließend sahen wir uns das Städtchen an und nahmen schließlich an einer Tour teil, die auf die Felsformation führte. Für die Chichimeca, das dort lebende indigene Volk, war/ist sie heilig.
Ein anderer Tagesausflug führte uns zu den Pyramiden von Teotihuacán. Sie wurden von der gleichnamigen Kultur vor über 2000 Jahren zusammen mit einer Stadt errichtet. Der Ort war ein wichtiges Handelszentrum und wurde entsprechend wohlhabend, schließlich aber unter nicht weiter bekannten Umständen (vermutlich von den Einwohnern selbst) zerstört und verlassen. Pyramiden gibt es jedenfalls zwei, jeweils für die Sonne und den Mond. Die Sonnenpyramide ist eine Spur größer und kann bis zur Spitze bekraxelt werden. Das war recht anstrengend und wurde mit einer tollen Aussicht und einem weniger tollen Sonnenbrand belohnt.
Und wie sind nun die Mexikaner? Wie erwartet recht temperamentvoll, außerdem irgendwie gechillt, sehr herzlich und nett, und sie wissen gutes Essen zu schätzen.
Dann hieß es Abschied nehmen, und auf nach Barbados!
[1] Die Sinologin in mir – ich kann‘s nicht lassen. Ob Chinavergleiche hier logisch oder gar nützlich sind, sei mal dahingestellt.
[2] Wer sie nicht kennt: Frida Kahlo ist eine berühmte mexikanische Malerin, die mit Diego Rivera, ihrem Ehemann (sogar zweimal) und ebenfalls Maler, ein hübsches blaues Haus in Coyoacán bewohnte. Sie lebte Anfang des 20. Jahrhunderts, war irgendwie Feministen, irgendwie vielleicht auch Sozialistin, auf jeden Fall malte sie schön und vor allem sich selbst. Mit Augenbraue.